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Ecuador im Ausnahmezustand?! Ein Erfahrungsbericht

Ecuador im Ausnahmezustand?! Ein Erfahrungsbericht

Als freie Mitarbeiterin arbeite ich zwar die meiste Zeit von Deutschland aus, verbringe aber auch jedes Jahr mehrere Wochen in Ecuador. Da selbst in internationalen Medien von den Geschehnissen Anfang Januar 2024 berichtet wurde, war vor allem meine Verwandtschaft recht besorgt bezüglich meiner diesjährigen Ecuador Reise.

Ich selbst war weitestgehend ruhig, denn ich weiß, dass die ecuadorianische Berichterstattung leider oft sehr dramatisch gehalten und negativ behaftet ist. Persönlich habe ich Ecuador schon in verschiedenen Krisenzeiten erlebt: im Herbst 2019 war ich gerade hier als es die Aufstände der indigenen Bevölkerung gab. Ich habe etwa die Hälfte der Pandemie in Ecuador verbracht, die anfänglichen starken Einschränkungen, erste Lockerungen miterlebt und erste mögliche Reisen und Ausflüge gemacht. Nachdem sich Wirtschaft und Tourismus nach Pandemieende wieder recht gut erholt hatten, wurde Anfang 2024 erneut ein Ausnahmezustand verhängt. Was war passiert und wie ist die aktuelle Lage im Land?

Wie kam es zum aktuellen Ausnahmezustand?

Ich möchte an dieser Stelle nur kurz auf die auslösenden Faktoren eingehen und welche Maßnahmen in deren Folge ergriffen wurden. Die Hintergründe der Situation sind vielschichtig und eine genaue Darstellung ist schwierig, da Informationen von unterschiedlichen politischen Meinungen geprägt sind und auch die Berichterstattung der Medien nicht objektiv ist.

Am 7. Januar 2024 floh José Adolfo Macías Villamar, alias „Fito“, der Anführer der Drogenbande Los Choneros, aus dem Gefängnis in Guayaquil. Die Flucht erfolgte angeblich nachdem „Fito“ davon erfahren hatte, dass er in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden sollte. Der ecuadorianische Präsident Daniel Noboa rief infolge der Flucht einen 60-tägigen Ausnahmezustand aus. Daraufhin kam es zu Unruhen in vielen Gefängnissen, und Soldaten wurden eingesetzt, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und die Banden zu bekämpfen.

Am 9. Januar 2024 drangen Mitglieder der „Choneros“ in ein Fernsehstudio in Guayaquil ein und nahmen Journalisten als Geiseln. Gleichzeitig wurden Polizisten und Universitätsmitarbeiter entführt. Es kam zu bewaffneten Angriffen auf Zivilisten und einem Angriff auf ein Einkaufszentrum.

Am gleichen Tag wurden Banken, Märkte und Geschäfte geschlossen, um die Bürger vor bewaffneten Überfällen zu schützen. In einem von Präsident Daniel Noboa erlassenen Dekret erklärte er am 9. Januar nach dem Angriff auf das Fernsehstudio, dass es im Land einen „internen bewaffneten Konflikt“ gebe und wies die Streitkräfte an, Militäreinsätze zur Neutralisierung „terroristischer Organisationen und aggressiver nichtstaatlicher Akteure“ durchzuführen. Noboas Sicherheitsplan umfasst eine neue Geheimdiensteinheit, taktische Waffen für die Ordnungskräfte und Sicherheit sowie einen Plan, gefährliche Gefangene vorübergehend auf Gefängnisschiffe zu verlegen.

Konkret bedeutet der Ausnahmezustand für die Bevölkerung zum Teil Ausgangssperren in der Nacht, wobei die genauen Uhrzeiten von Gemeinde zu Gemeinde variieren. Dazu wurde ein Ampelsystem eingeführt. In vielen Gemeinden, darunter Baños, Alausí, Guaranda, Mindo, Puerto Lopez sowie die Provinzen Galapagos, Pastaza, Imbabura und Loja gibt es seit Ende Januar keine Ausgangssperre mehr.

Seelöwe auf einer Bank auf Galapagos

Der Ausnahmezustand aufgrund der Erklärung des „internen bewaffneten Konfliktes“ gibt den Streitkräften und der Polizei weitreichende Kontrolle, eine Tatsache, die von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen kritisch betrachtet wird. Sie haben Bedenken hinsichtlich möglicher Verstöße gegen Menschenrechte während des Konflikts geäußert. Experten argumentieren, dass die Bedingungen für einen bewaffneten Konflikt nicht erfüllt seien und dass die Handlungen der Sicherheitskräfte möglicherweise negative Folgen für Ecuador haben könnten. Die gerichtliche Überprüfung dieses Falls wird als entscheidend für die Zukunft des Landes angesehen.

Der Ausnahmezustand wurde Anfang März um weitere 30 Tage verlängert und dauert nun bis zum 8. April 2024 an. Rein rechtlich kann er danach nicht noch einmal verlängert werden.

Wie ich selbst den Ausnahmezustand erlebt habe

Ich hatte bei meiner Einreise am 15. Februar eigentlich erwartet, ein großes Militär- und Polizeiaufgebot am Flughafen vorzufinden, aber es waren nicht mehr als die üblichen Sicherheitskräfte vor Ort.

Einer meiner ersten Ausflüge innerhalb Quitos führt mich meistens in das historische Zentrum. So auch dieses Jahr. Auch hier hatte ich mehr Militärpräsenz erwartet. Es war allerdings lediglich der Präsidentenpalast etwas weiträumiger abgesperrt als sonst und eine der belebten und normalerweise etwas chaotischen Fußgängerzonen war ebenfalls nicht zugänglich.

Die Straße Garcia Moreno in Quito während des Ausnahmezustandes

Ansonsten habe ich es wie immer genossen, durch die Altstadt Quitos mit ihren vielen historischen Gebäuden und Plätzen zu spazieren. Besonders an Wochenendtagen lohnt sich ein solcher Bummel, denn in den Fußgängerzonen sind viele Stände aufgebaut mit Kunsthandwerk, Souvenirs und lokaltypischen Produkten. Zu keiner Zeit habe ich mich im Zentrum unsicher oder gar bedroht gefühlt. Auch in anderen Vierteln Quitos hat sich die Lage seit Ende der Pandemie aus meiner Sicht nicht zum schlechten verändert. Es gibt nach wie vor Viertel und Gegenden, die man, vor allem zu später Stunde, grundsätzlich meiden sollte und solche, durch die man ohne Probleme spazieren kann.

Aufgrund der ab 0 Uhr geltenden Ausgangssperre wurden viele Abendveranstaltungen und Partys einfach um ein paar Stunden vorverlegt. Abgesehen davon bekommt man vom Ausnahmezustand kaum etwas mit. Lediglich einmal, als ich mit einer Freundin im Ausgehviertel Mariscal etwas trinken war, habe ich vom Fenster aus fünf Soldaten gesehen, die durch die Straßen liefen.

Soldaten auf der Straße im Ausgehviertel Mariscal

Ausflüge in verschiedene Regionen ohne Probleme

Mein erster Ausflug dieses Jahr außerhalb Quitos führte mich zum Mirador de Oso Andino, dem Brillenbären-Aussichtspunkt in der Nähe von Pimampiro. Genaueres über diese Tour, die auch schon mehrere unsere Reisenden gemacht haben, ist in unserem Artikel über die Brillenbären in Ecuador nachzulesen. Ich war begeistert von der Landschaft und von der Tatsache, zum ersten Mal – wenn auch aus einiger Entfernung und mit Fernglas – Bären in freier Natur beobachten zu können.

Brillenbär in Ecuador, durch ein Fernglas fotografiert

Auch hier bekommt man vom Ausnahmezustand nichts mit. Auf dem Rückweg von Pimampiro nach Ibarra gab es einige Militärlaster, die Autos kontrollierten, was allerdings auch in „normalen Zeiten“ vorkommen kann, da es die Straße ist, die zum Grenzübergang nach Kolumbien führt. Ein Soldat kam kurz in den Bus, fragte, ob alles in Ordnung ist, stieg wieder aus und weiter ging die Fahrt.

 

Über meine zwei längeren Ausflüge – einen in die Regenwaldregion, einen in die Küstenprovinz Manabi – berichte ich in folgenden Artikeln. Soviel schon einmal vorab: Weder ist mir etwas passiert, noch habe ich Überfälle, Angriffe oder sonstige Konflikte beobachtet.

 

Da ich weder Auto noch Führerschein besitze, war ich, wie auch früher schon, mit öffentlichen Bussen, Taxis und Uber unterwegs. Zum Teil zeitig früh zum Teil abends und einen Nachtbus habe ich auch einmal genommen. Ich kann nur sagen, dass es sich für mich wie immer angefühlt hat. Hätte ich nicht gewusst, dass Ausnahmezustand verhängt wurde, ich hätte nichts bemerkt.

Freilich sollte man gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln möglichst keine Wertsachen zur Schau stellen, Geld in verschiedene Taschen verteilen und immer aufmerksam sein. Aber dies sind Maßnahmen, die unabhängig von der aktuellen Situation hilfreich sind und das nicht nur in Ecuador.

Aus Gesprächen mit Einheimischen konnte ich entnehmen, dass sich die Lage gegenüber Anfang Januar deutlich gebessert hat. Ja es gab Überfälle, es gab Attentate auf Beamte und der Drogenhandel ist, wie in vielen anderen Ländern, ein aktuelles Thema. Aber inzwischen, sei es, dass die Militäreinsätze Wirkung gezeigt haben oder dass sich die Lage von selbst beruhigt hat: Nichts spricht gegen eine Reise nach Ecuador.

Schmetterling im Regenwald von Ecuador

Das Reisportal https://www.reisevor9.de/ meldet ebenfalls eine Beruhigung der Situation und bezieht sich unter Anderem auf das Auswärtige Amt. Das Portal schreibt, dass die touristische Infrastruktur im Land, abgesehen von wenigen Einschränkungen, vollständig funktioniert. Nationale und internationale Flüge, Kreuzfahrten, Busreisen und Grenzüberquerungen nach Peru und Kolumbien seien größtenteils wie gehabt möglich und werden von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen begleitet.

 

Auch wenn man ohne Probleme mit Linienbussen fahren kann, empfiehlt es sich doch zunächst und vor allem, wenn man das Land noch nicht kennt und vielleicht auch Spanisch nicht so richtig beherrscht, an geführten Touren teilzunehmen. Vielleicht spricht Sie ja eine unserer Beispielreisen an? Natürlich stellen wir Ihnen auch gerne ein individuelles Programm zusammen. Auch Mietwagen Reisen sind möglich. Für welche Reiseart auch immer Sie sich entscheiden, aus meiner Sicht kann ich sagen: Ecuador ist – wieder – ein sicheres Reiseland!

DIE AUTOREN:

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Dorit Hansen

Dorit reist seit 2004 regelmäßig nach Lateinamerika und hat auch schon mehrere Jahre in Ecuador gelebt. Mehr zu Dorit...

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Xavier Arias León

Xavier ist Mitbegründer von Solecu Tours und kennt sein Heimatland Ecuador durch seine langjährige Tätigkeit im Tourismus wie seine Westentasche. Mehr zu Xavier...

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